Zugegeben – es mag ein wenig hochgegriffen klingen, dem morgendlichen Kaffee eine spirituelle Dimension zu verleihen. Und doch: Für mich hat sich über die letzten Monate genau dieses einfache Ritual zu einem Ort der Achtsamkeit, der inneren Sammlung und – ja – auch der Gottesbegegnung entwickelt. Wie sich das für mich genau darstellt, das will ich Ihnen im Folgenden gerne näherbringen:
Alles beginnt schon außerhalb meiner eigenen vier Wände – bei der kleinen Rösterei um die Ecke. Ich gehe nicht einfach nur dorthin, um irgendeinen Kaffee zu kaufen. Ich gehe, um zu wählen. Um bewusst zu entscheiden. Die verschiedenen Bohnen, Röstgrade, Düfte, Herkunftsländer – wenn ich all das im Laden auf mich wirken lasse, dann macht mir das deutlich: Was ich da in den Händen halte, das ist gewachsen. Es wurde gepflegt, geerntet, weiterverarbeitet. Es ist ein Produkt von Geduld. Von Zeit. Und, ja – vielleicht sogar von Segen.
Zuhause angekommen wird aus der Entscheidung dann eine Handlung: Ich mahle die Bohnen. Das Geräusch ist laut, und doch entsteht in mir dabei eine merkwürdige Ruhe. Denn mit jeder Umdrehung, mit jedem mahlenden Klang wird aus dem Groben etwas Feines. Etwas, das bereit ist, sich zu verschenken. Und manchmal, einfach weil ich gerne über so etwas nachdenke, da denke ich mir dann: Auch wir Menschen müssen manchmal durch „Mahlwerke“ des Lebens gehen, um weichherzig, offen und empfänglich zu werden.

Dann kommt der Siebträger zu seinem Einsatz – für mich das Highlight. Ich befülle ihn achtsam mit dem frisch gemahlenen Kaffeepulver – und das tue ich nicht hektisch, nicht „mal eben schnell“: Nein, ich drücke das Pulver fest – nicht mit Kraft, sondern mit Bedacht. Es ist fast ein liturgischer Moment: wie das Legen eines Samens in die Erde, in der Hoffnung, dass etwas Gutes daraus wächst. Es schenkt mir tatsächlich ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit, zu sehen, wie gleichmäßig glatt die Oberfläche nun ist – alles nun seinen geordneten Platz hat.
Der Siebträger wird an dem ihm zugedachten Platz eingesetzt. Ich schalte die Maschine ein – und dann heißt es warten. Zuschauen. Nichts tun. Wie sich der Kaffee langsam in die Tasse ergießt: goldbraun, duftend, fast ehrwürdig. Ich beobachte. Nicht, weil es nichts anderes zu tun gäbe – sondern weil mir dieser Moment kostbar ist. Weil in jedem Tropfen auch Zeit fließt. Aufmerksamkeit. Dankbarkeit.
Und schließlich: das Genießen. Ich setze mich auf meine Couch, leise Musik läuft im Hintergrund. Durch das Fenster fällt das Licht. Es bricht sich auf dem Couchtisch – und beleuchtet das darauf stehende Kreuz. Ein banaler Zufall? Vielleicht. Oder vielleicht auch ein stiller Gruß Gottes: Ich bin da. Auch hier. Gerade hier.
Ich nehme einen Schluck. Und manchmal liegt in diesem einen Schluck mehr, als Worte sagen können. Eine kleine Predigt über das Jetzt. Über Fülle. Ein Dankgebet über das Geschenk, einfach da zu sein und schmecken zu dürfen.
„Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut – und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“
1. Timotheus 4,4
Das ist mein Moment.
Mein Innehalten, bevor der Tag beginnt.
Nicht spektakulär. Nicht laut.
Aber tief. Und gesegnet.
Natürlich wird das dann nicht der letzte Kaffee dieses Tages sein – bei allem, was da auf mich im Alltag zukommen wird, genügt dann auch mal normaler Filterkaffee als zwischenzeitlicher Muntermacher. Aber mit eben jener ersten achtsamen Tasse – da beginne ich den Tag mit einem Moment der Entschleunigung. Mit einem Moment des „Zu-mir-Kommens“, und auch – davon bin ich überzeugt – des „Zu-Gott-Kommens“.
Es ist ein kostbarer Moment.
Vielleicht haben ja auch Sie solche kleinen Rituale. Und vielleicht spüren auch Sie: In den einfachen Dingen, da kann uns Gott begegnen – ganz leise. Tropfen für Tropfen.
Vikar Thimo Beier