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Jahresthema Vorbilder: Was ist vorbildlich?

Martin Luther King, Washington
Martin Luther King, Washington

In den Detmolder Schulen wird der Schulabschluss mit einer Verkleidungswoche gefeiert. Ein beliebtes Thema ist „Helden der Kindheit“. Menschen brauchen Helden oder Vorbilder. Vorbilder zeigen, was möglich ist: Sie finden einen Ausweg in der Ohnmacht, sie sorgen für Gerechtigkeit, sie gelten etwas, für ihre Taten. Vorbilder sind Personen, die zeigen wie gutes Leben gelingt, trotz der Umstände.

Bücher, Filme und Computerspiele, aber auch Comics liefern Vorbilder für jeden Geschmack und jedes Niveau. Auch in der evangelischen Kirche haben wir unsere Vorbilder und Helden. Es finden sich zum Beispiel über 50 Dietrich-Bonhoeffer-Häuser in Deutschland. Dietrich Bonhoeffer hat der nationalsozialistischen Regierung und Gesellschaft widerstanden und sich für ein besseres Deutschland eingesetzt. Er hat für seinen Einsatz mit dem Leben bezahlt und wurde auf persönlichen Wunsch Adolf Hitlers hingerichtet.

Aber wir brauchen gar nicht so weit gehen, um Vorbilder zu finden. Der Pfarrer unserer Gemeinde Walter Engelbert hat sich während des 2. Weltkrieges Weihnachten 1940 in seiner Weihnachtspredigt mit Krieg und Frieden auseinandergesetzt. Er hat in der Predigt verdeutlicht, dass zwischen dem „Ehre sei Gott in der Höhe“ und „Frieden auf Erden“ ein Zusammenhang bestehe. Die Menschheit kranke daran, dass sie ihre Lebensfragen mit Gewalt und Macht zu lösen versuche, anstatt auf das Versöhnungsangebot Gottes einzugehen. Dieser menschliche Egoismus werde von der Bibel als Sünde verurteilt. Engelbert führte aus, dass sich die Menschheit dadurch von Gottes Herrschaftsanspruch entferne und dadurch Erblindung für die todesgefährlichen Folgen des Selbstbetrugs und der Selbstvergottung eintrete.

Nun kann sich jeder vorstellen, wie Menschen in diesen Worten Weihnachten 1940 eine Verurteilung des Krieges hörten, der von Deutschland ausgegangen war. Walter Engelbert wurde bei der Polizei angezeigten, obwohl seine Aussagen in einem anderen Zusammenhang und zu anderer Zeit als normale Weihnachtspredigt durchgegangen wären. Weihnachten 1940 aber war es mutig und hatte für Walter Engelbert unabsehbare Folgen, diese Predigt in der vollen Martin-Luther-Kirche zu halten.

Was sind also Vorbilder? Hier ist es der Mut eines Pfarrers seinen Glauben und seine Überzeugung mutig zur Deutung der Gegenwart anzuwenden, auch wenn die Folgen für ihn unabsehbar waren.

Walter Engelbrecht wurde letztlich freigesprochen und gerade deshalb von der Geheimen Staatspolizei in Schutzhaft genommen. D.h. er wurde inhaftiert, angeblich zu seinem eigenen Schutz, obwohl die Staatsanwaltschaft Detmold die Anklage als unbegründet fallen gelassen hatte.

Auch in der Bibel finden sich Vorbilder, bei denen ein Einzelner mutig einem übermächtigen Gegner entgegentritt und gewinnt:

Im Zusammenhang der Erwählung Davids zum zukünftigen König von Israel erzählt 1. Sam 17 vom Zweikampf des jungen David gegen einen riesigen Krieger der feindlichen Philister. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe tritt David dem gewaltigen Gegner Goliat entgegen und kann ihn mit seiner Steinschleuder töten. D.h. der schwächere David kämpft nicht mit Speer, Schwert, Schild und Rüstung wie Goliat, sondern er bedient sich seiner Steinschleuder. David nutzt seine eigenes Können und seine Erfahrung als Hirte von Schafen, um Goliat zu besiegen. Er wird damit zum Vorbild für alle, die einem übermächtigen Gegner gegenüber stehen, sich auf ihre Stärken zu besinnen und nicht aufzugeben. Das Motiv des David gegen Goliat wird in viele populären Filmen und Büchern aufgenommen, in denen gezeigt wird, dass die vermeintliche Übermacht des Gegners nicht zwangsläufig zum Sieg führt, wenn sich der schwächere auf seine Stärken besinnt.

Dass Vorbilder sich auch ändern können und historische Personen neu bewertet werden im Lauf der Geschichte zeigt, der Namenswechsel der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

Ein Student hatte 2010 sich als Ernst-Moritz-Arndt verkleidet und vor der Universität Texte des Namenspatrons vorgelesen. 30 Minuten später wurde er von der Polizei wegen Volksverhetzung festgenommen und das weitere Verlesen Arndt-Texten damit unterbunden. Damit hatte der Student sein Ziel erreicht. Es wurde wieder diskutiert, ob heute noch eine Universität nach Arndt benannt sein sollte.

Arndt, 1769 auf Rügen geboren, Schriftsteller, Gelehrter, Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche, wurde lange als Freiheitskämpfer und glühender Patriot verehrt. Zugleich sind viele seiner Aussagen aus heutiger Sicht unerträglich. Über Franzosen sagte er, sie zu hassen, sei die „Religion des deutschen Volkes“. Juden nannte er „diese giftige Judenhumanität“. Und den Deutschen attestierte er zufrieden die „Reinheit des Volkes“, sie seien nicht „durch fremde Völker verbastardet“. Dass die 1456 gegründete Universität Greifswald seinen Namen erst 1933 erhielt, im Jahr der „Machtergreifung“ der Nationasozialisten, kam hinzu. So beschoss die Universität 2017 wieder Universität Greifswald zu heißen.

Der polnische Aphoristiker Stanisław Jerzy Lec prägte den Ausdruck „Wegweiser stehen auf der Stelle.“ Genauso verhält es sich auch mit Vorbildern. Das Verhalten, was zu einer bestimmten Zeit als vorbildhaft gilt oder wünschenswert, wird zu anderen Zeit verurteilt und wegen besserer Erkenntnis abgelehnt.

So gibt es auch in Detmold immer wieder Diskussionen um Straßennamen.

Die Wolfgang-Hirth-Straße wurde 1959 nach dem Segelflugpionier Kurt Erhard Wolfram Hirth (1900-1959) benannt und dabei sein Name falsch geschrieben. Der Segelflieger kürzte seinen Namen als „Wolf Hirth“ ab, nannte sich aber nie „Wolfgang“. Die Straßenschilder in Detmold sollten deshalb ausgetauscht werdenb. „Die Korrektur der Straßenbenennung würde einen Sinn haben, wenn eine Würdigung Hirths aktuell noch gewünscht ist,“ schrieb Stadtarchivarin Bärbel Sunderbrink. Sie begründete die mangelnde Würde mit seiner Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, in der Firma seines Freundes Martin Schempp, in die Hirth 1938 eingestiegen war. Dies sei 1959 nicht berücksichtigt worden. Auch seine Publikationen hätten die Kriegspolitik der Nationalsozialisten „mental unterstützt,“ so Sunderbrink. Die Strasse soll nun den Namen der Pilotin Amelia Earhart (1897-1939) tragen. Sie war die erste Frau, die 1932 den Atlantik überflog, ausserdem habe sie sich als Frauenrechtlerin betätigt.

Was also hebt Menschen heraus, so dass sie zu Vorbildern taugen oder Straßen und Schulen nach ihnen benannt werden sollten?

Zuerst steht die Sache im Vordergrund für die sich ein Mensch eingesetzt hat. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)hat seine Schule für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf in Münster Martin-Luther-King Schule genannt. „I have a dream“ — Der Traum von Martin Luther King war groß: Schwarze und Weiße kommen friedlich miteinander aus, Freiheit und Gerechtigkeit widerfährt jedem Bürger und Kinder leben in einem Land, in dem sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden. Mit diesem „Traum“, den er am 23. August 1963 beim „Marsch auf Washington“ in der US-Hauptstadt schilderte, ging King in die Geschichte ein. Mehr als 250.000 Menschen, darunter auch viele Weiße, verfolgten dort damals seine Rede. Kings Ziel war es die Rechte der Schwarzen zu stärken, auf ihre Probleme im Alltag, aber auch bei der Jobsuche aufmerksam zu machen. „Er war das Gesicht der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die politische Führungspersönlichkeit und Organisator gewaltlosen Widerstands“, sagt Sebastian Jobs, Geschichtsprofessor und Nordamerika-Experte an der Freien Universität Berlin (FU). So lässt sich gut erahnen, warum die Schule für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf King als Vorbild gewählt hat, weil auch sie eine Welt ohne Benachteiligung aufgrund von bestimmten Eigenschaften anstrebt. Neben dem Ziel, das ein Vorbild verfolgt, ist auch die Art und Weise wie er das Ziel erreichen möchte, wichtig.

Der gewaltfreie Widerstand eines Mahatma Gandhis oder Martin-Luthers-King wird dabei als besser angesehen als z.B. der Weg den Malcolm X ging, um den Rassismus in den USA zu bekämpfen.

Aus Sicht von Malcolm X hatten 400 Jahre Herrschaft der Weißen gezeigt, dass sie keine Kompromisse wollen würden und dass die Rede von Gleichberechtigung nichts als Heuchelei sei. Malcolm X hielt daher Aufforderungen zur Gewaltlosigkeit für ein Verbrechen der Weißen an den Schwarzen. Die Weißen hatten aus seiner Sicht immer wieder die Sprache der Gewalt gewählt, also sollten die Schwarzen seiner Meinung nach damit beginnen, „ihre Sprache zu sprechen“, um verstanden zu werden. Aus diesen Überlegungen Malcolm X heraus ist es verständlich, dass weniger Schulen nach ihm benannt werden als nach Martin Luther King.

Zuletzt spielt natürlich auch eine Rolle, was uns, was mich bewegt mir ein Vorbild zu wählen. 

Mich interessiert, ob sie ein Vorbild haben und warum?

Der Gemeindebrief wird sich in den nächsten Ausgaben auch dem Thema Vorbilder auf verschiedene Art und Weise widmen. Umstände, Ziele und Mittel und Wege werden dabei zeigen, wie ein Mensch zum Vorbild wird.

Wenn Sie Ihre Gedanken teilen mögen, erreichen sie mich unter b.kruschke@detmold-lutherisch.de

Björn Kruschke

Zum Nachlesen:

Engelbert, Ruth: Widerstehen aus christlichem Glauben – Pfarrer Walter Engelbert im Kirchenkampf in Bochum und Detmold. Schriften der Hans Ehrenberg Gesellschaft Bd. 16, Hartmut Spenner Verlag, 2009.

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