Der Gottesdienst Vis-à-vis findet am 16. Juni 2024 um 10:00 Uhr in der Martin-Luther-Kirche statt.
„Dead man walking“ ist der Ruf der Gefängniswärter, der ertönt, wenn ein zum Tode Verurteilter zu seinem Hinrichtungsort geführt wird.
Die gleichnamige Oper von Jake Heggie, die im Landestheater Detmold am 17. Mai 2024 Premiere hat, basiert wie schon der Film auf dem Buch von Schwester Helen Prejean, in das ihre Erlebnisse mit den Todeszellenkandidaten Elmo Patrick Sonnier und Robert Lee Willie, die Helen Prejean tatsächlich bis zu ihrer Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl begleitete, einflossen.
Was wenn nicht dieses Stück ruft nach einem Vis-à-vis, nach einem Austausch zwischen Kirche und Theater, sagt Dramaturgin Anna Neudert. Und in der Tat, es geht um Themen wie Schuld und Strafe oder Sühne, Reue und Vergebung, Liebe und Tod.
Dazu hat die Bibel in der Tat etwas zu sagen, angefangen von
„Du sollst nicht töten“ (2. Mos. 20,13) über „Wenn dich der HERR, dein Gott, ins Land bringt, in das du kommen wirst, es einzunehmen, und er ausrottet viele Völker vor dir her, die Hetiter, …vor dir dahingibt, dass du sie schlägst, so sollst du an ihnen den Bann vollstrecken“ (= alle umbringen) (5.Mos 7, 1-3,5)
bis zu „liebet eure Feinde“ (Mt. 5,44) und „wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist‘s genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal…“ (Mt. 18, 21.22) spannt die Bibel einen weiten Bogen.
Die Oper wirft die Frage auf: Gibt es ein (staatlich) gerechtfertigtes Töten? Und wer bestimmt, was eine gerechte Strafe ist und was ungerecht, weil unverhältnismäßig oder unmoralisch? Was ist richtig und was falsch?
Wahrscheinlich entlassen einen die Oper und der Gottesdienst mit mehr Fragen als Antworten, aber es lohnt sich, darüber nachzudenken, zumal nach einem Report von Amnesty International die Zahl der bekanntgegebenen Hinrichtungen weltweit im Jahre 2022 sprunghaft angestiegen ist.
Christa Willwacher-Bahr