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Taufe

„Gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ 

(Matthäus 28,19)

Taufe – ein besonderes Erlebnis

Es ist kurz nach halb elf in der Nacht vom Karsamstag zum Ostertag. Im Gemeindehaus neben der Martin-Luther-Kirche trifft zu diesem ungewöhnlichen eher nachtschlafenden Zeitpunkt Marlon mit seinen Eltern, seinem drei Jahre jüngeren Bruder, einer Tante und einem Schulfreund ein. Alle sind festlich gekleidet. Marlon trägt ein weißes Hemd. Seit einem Jahr kenne ich als Pfarrer Marlon als aufgeweckten, immer für einen coolen Spruch bereiten Jungen aus meiner Konfirmandengruppe. In diesem Moment merkt man ihm jedoch eine leichte Anspannung an. Und das ist verständlich!

Marlon wird gleich in diesem besonderen Gottesdienst in der Osternacht getauft. Im Unterricht haben wir uns mit der Bedeutung der Taufe beschäftigt, haben gehört, dass Marlon in der Taufe ein großartiges Versprechen Gottes hören und Gottes Zuneigung sogar mit dem Wasser spüren wird. 

An der Osterkerze werden die Handkerzen angezündet.
Osternachtgottesdienst am 12.04.2009, 4.30 Uhr, in der Philippuskirchgemeinde Lohmen, Sachsen: nach dem Einzug in die dunkle Kirche werden die Altarkerzen angezündet und das Osterlicht wird an die Gemeinde weitergegeben.

Nach ein paar letzten organisatorischen Klärungen und einem Gebet um Gottes Gegenwart ziehen wir alle schließlich zusammen mit anderen Liturgen und Mitgliedern der Kantorei in die dunkle Kirche ein. Das Licht der neuen Osterkerze weist uns den Weg durch den Mittelgang. Zum Liedruf „Lumen Christi“ (Licht Christi) breitet sich das Osterlicht schließlich über die Handkerzen der Gemeindeglieder in der ganzen Kirche aus und gibt einen dämmrig festlichen Schein.

Und dann kommt nach einigen Lesungen und Liedern für Marlon der Höhepunkt: Nach der Lesung des Taufevangeliums (Matthäus 28,16-20), dem von der ganzen Gemeinde gesprochenen Glaubensbekenntnis, dem Eingießen des Taufwassers und der persönlichen Frage an Marlon, ob er getauft werden möchte, beugt sich Marlon über das Taufbecken und hört die Worte der Taufformel, spürt das lauwarme Wasser auf dem Kopf und hört dann die Zusage: „Du gehörst zu Christus!“ und seinen biblischen Taufspruch.

Eine persönliche Taufkerze, die an der neuen Osterkerze entzündet wird, nimmt Marlon später mit nach Hause. Sie wird ihn zukünftig an diese besondere Nacht und seine Taufe erinnern und an das Versprechen Gottes: Ganz egal, wohin dein Weg dich führt, werde ich an deiner Seite sein. Weil ich dich liebe!

Was Marlon vor einigen Jahren erlebt hat, zählt zu den wichtigsten und schönsten Erlebnissen als Christ. Gemeint ist nicht der besondere nächtliche Zeitpunkt. Vielmehr das, was er als Versprechen Gottes gehört hat, ist für uns Christen die Zusage, die uns Mut machen und stärken will für unser ganzes Leben und eine Perspektive darüber hinaus geben.

Geschichtliche Ursprünge

Seit Beginn der christlichen Geschichte spielt die Taufe eine zentrale Rolle. Die Evangelien erzählen uns, dass zur Zeit Jesu Johannes als Prediger und Täufer wirkte. Johannes war fest davon überzeugt, dass Gott bald zum Gericht kommen und die Menschen zur Verantwortung ziehen werde. Er rief die Menschen zur Buße und Umkehr zu Gott und einem gottgefälligen Leben auf.

In seinem Umfeld gab es andere religiöse Strömungen, die Ähnliches ankündigten und Reinigungsrituale vornahmen. Auch bei den jüdischen Zeitgenossen spielte die Reinigung in einem speziellen Bad – der Mikwe – eine große Rolle. So war den Zeitgenossen von Johannes und Jesus das Ritual des Eintauchens bestens vertraut.

Johannes wirkte in der Region am Jordan. Da ließen sich viele Menschen, die die Worte von Johannes ernst nahmen, von ihm taufen, indem sie in den Fluss stiegen, untertauchten und wieder auftauchten – gewissermaßen als von dem alten Leben mit seinem oft Gott abgewandten Wandel zu einem neuen Anfang gereinigt.

Das Wasser steht symbolisch für den „Tod“, aus dem der Getaufte zum neuen Leben „neu geboren“ wird. Wie Christus am Kreuz gestorben ist, so stirbt auch der „alte Adam“, wie ihn Martin Luther nannte – das alte, verfehlte Leben, und so wird der Mensch zu einem neuen Leben wieder aufgerichtet.

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In der Taufe öffnet sich den Gläubigen gewissermaßen die Tür in ein neues Leben. Martin Luther fand dies so faszinierend, dass er sich täglich an die Taufe erinnern wollte.

Darum ist die Osternacht oder das anschließende Osterfest für viele Gemeinden ein beliebter Zeitpunkt zum Taufen. Hier wird der Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu besonders erlebbar.

Das Markusevangelium berichtet, dass auch Jesus selbst sich von Johannes taufen ließ (Markus 1,9-11). Dabei hört er eine Stimme vom Himmel, die spricht: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“

Am Ende seines irdischen Wirkens beauftragt Jesus schließlich seine Jünger, den Menschen von ihm zu erzählen und sie zu taufen: „Gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28,19-20). Dieser „Missions- und Taufauftrag“ ist die Basis für unsere christliche Taufe.

Yardenit Baptismal Site on the Jordan River
Yardenit Baptismal Site on the Jordan River

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Ursprünglich war die Taufe ein Ritual, das an erwachsenen Menschen vollzogen wurde, die sich bewusst für das neue Leben mit Gott entschieden. Als sich das Christentum in den folgenden Jahrhunderten ausbreitete, begann man ganze Familien zu taufen – einschließlich der Kinder. Der Gedanke der bewussten Umkehr und Hinwendung zu Gott bekam weniger Gewicht. Man taufte die Kinder in dem Bewusstsein, dass sie von Gott von Anfang an angenommen sind.

Im weiteren Verlauf der Geschichte und der Entwicklung der kirchlichen Erbsündenlehre und der Vorstellung, man müsse Kinder möglichst früh vor dem Satan schützen, wurde das Alter der Täuflinge immer jünger. Am besten solle es geschehen in den allerersten Tagen des Lebens. Eine Art magisches Schutzritual entstand.  

Im Verlauf der kirchlichen Geschichte trat dieses Denken mehr in den Hintergrund. In der Taufe richtet sich der Blick auf das Versprechen Gottes: „Dich habe ich lieb. Du gehörst zu mir. Ganz egal, wohin dich dein Weg führt. In meinem Geist darfst du leben.“ 

Der Blick nach hinten ist also durchaus noch da: Was bisher in meinem Leben war, soll mich nicht von Gott trennen. Es ist vor allen Dingen aber der Blick nach vorne, eine Ermutigung, die das Leben lang – und darüber hinaus – gilt.

Aus diesem Grund wird in unseren Gemeinden die Taufe auch nicht wiederholt, sondern ist einmalig. Es muss auch kein komplettes Untertauchen des Täuflings sein, sondern ein paar Tropfen Wasser reichen. 

In der Martin-Luther-Kirche Detmold tauft Pfarrer Kruschke ein Kleinkind am Taufstein
Für die Taufe gibt es kein festgelegtes Alter…

Wann ist der richtige Zeitpunkt für das Ritual der Taufe? – Zu jedem Zeitpunkt, ob als kleines Kind, ob als Jugendlicher, ob als Erwachsener, ob als alter Mensch, erfährt der Täufling dieses Versprechen. Je älter ein Täufling ist, desto mehr bekommt die eigene Entscheidung Gewicht und wird dann sicher auch bewusster gelebt.

Andererseits ist Gottes Entscheidung für uns längst vorher gefallen. Detlev Block dichtet in einem schönen Tauflied: „Eh wir entscheiden Ja und Nein, gilt schon für uns: Gerettet sein. Dank sei dir, dass das Heil der Welt nicht mit uns selber steht und fällt.“ (EG 211) Das eigene Kind dieser Zuwendung Gottes von Anfang an anzuvertrauen, ist daher Ausdruck, dass diese Beziehung Gestalt annehmen soll. Eltern, Paten, andere Begleiter und die Kirchengemeinde haben hier die Verantwortung, dass die Kinder von dieser Beziehung erfahren und hineinwachsen können. Auch der kirchliche Unterricht (Konfirmandenunterricht) hat hier seinen Ort. Jeder Zeitpunkt im Leben kann also richtig für die Taufe sein.

Tauferinnerung

Der kirchliche Unterricht kann also wie bei Marlon der Vorbereitung der Taufe dienen, aber auch nachgeholter „Taufunterricht“ sein, wenn ein als kleines Kind Getaufter an ihm teilnimmt. In jedem Fall spielt die Tauferinnerung eine wichtige Rolle.

Gerade weil Eltern und Paten von kleinen Kindern diese besondere Verantwortung haben, tut es ihnen gut, sich selber an das Versprechen Gottes, das ihnen auch einmal gegeben wurde, zu erinnern: „Auch bei dieser Aufgabe darfst du dich auf mich verlassen!“ – Aus diesem Anlass bekommen Eltern und Paten manchmal ein mit dem Taufwasser gezeichnetes Kreuz in die Handinnenfläche gezeichnet.

Der Täufling selbst soll sich immer wieder an seine Taufe und Gottes Versprechen erinnern.

Von Martin Luther wird erzählt, dass er immer, wenn er das Gefühl hatte, der Teufel steht neben ihm oder wenn Angst oder Schwermut ihn packte, er sich einen kurzen lateinischen Satz aufgeschrieben haben soll: „Baptizatus sum.“ – „Ich bin getauft.“

Heute schreibt das kaum einer auf seinen Tisch oder an die Wand. Dagegen bekommen Täuflinge in vielen Gemeinden eine Taufkerze, erstmalig entzündet an der Osterkerze der Gemeinde bei der Taufe. Zuhause soll diese Kerze sie immer wieder an Gottes Versprechen erinnern. Ein von den Eltern ausgesuchter biblischer Taufspruch oder ein kleines Kreuz als Geschenk nehmen die gleiche Funktion wahr. 

Taufkanne und -kerze auf dem Taufstein
Taufkanne und -kerze auf dem Taufstein

Rechtliche Konsequenzen

Die Taufe hat auch rechtliche Konsequenzen. Mit der Taufe wird der Täufling nicht nur in die weltweite Gemeinschaft der Christen eingefügt, sondern er wird auch Mitglied einer Kirchengemeinde. Und er erhält eine Konfession. Später ist die Taufe die Bedingung, konfirmiert zu werden und selber ein Patenamt übernehmen zu können. 

Die Taufe ist neben dem Abendmahl eines von zwei Sakramenten, die die evangelische Kirche kennt. Sakrament bedeutet so viel wie „Heilszeichen“ (lateinisch: sacramentum). Wenn Protestanten die Sakramente feiern, machen sie damit deutlich, wie wichtig ihnen die Gemeinschaft untereinander und mit Jesus ist.

Das Leben feiern

Marlon erinnert sich bis heute an seine Taufe, wie er mir vor kurzem erzählt hat. Es war „ein Moment, der mich angefasst hat“ wie er es ausdrückte. Oder „wie ein Geburtstag, nur eben anders“. 

Diese Sätze zeigen, dass es gar nicht so leicht ist, mit Worten zu beschreiben, was bei der Taufe geschieht. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Taufe – da feiern wir das Leben, das Gott schenkt, das er begleiten will, das er nicht aus dem Auge verliert – egal was kommt.

Illustration

Lars Kirchhof

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