Das klingt provozierend, weil man mit Anfänger Anfängerfehler und mangelnde Erfahrung verbindet. Ich verbinde mit Anfänger Neuanfang, Altes hinter sich lassen, die Chance auf Zukunft, Entwicklung und Entfaltung. All das steckt für mich in Weihnachten, wo Gott sich in dem Kind Jesus als Anfänger zeigt. Besonders steckt es für mich in einem nachweihnachtlichen Bild von dem greisen Simeon, der das Jesuskind im Arm hält. Sein „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lukas 2, 29-31) klingt wie ein Seufzer der Erleichterung. Gemalt hat diese Szene auf unnachahmliche Weise Rembrandt. Der alte Mann und das kleine Kind stehen im Fokus der Aufmerksamkeit. Sie beleuchtet Rembrandt. Ein zweiter Mann neben dem greisen Simeon taucht aus dem Dunkel auf. Drei Lebensalter werden in diesem Bild von drei Menschen verkörpert, jung, alt und mittelalt.
Der alte Mann scheint tief versunken in den Anblick des kleinen Kindes, so als sehe er sich selbst in ihm, als erkenne er plötzlich in ihm den Anfängergott, der auch ihn, den alten Mann, wieder neu machen wird, unbeschrieben, unbelastet, unbeschwert in einem anderen Leben als dem diesseitigen. Aber, so scheint Rembrandt anzudeuten, mit diesem Gotteskind kann man in jedem Alter neu anfangen, auch in der Mitte des Lebens kann man bei Jesus Schuld loswerden, seinem Leben eine neue Wendung geben, sich neu und anders entwickeln als bisher. Gott ist ein Anfänger und „…jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“ (aus Hermann Hesse, Stufen). Dieser Zauber des Neuanfangs macht Weihnachten immer wieder zauberhaft schön.
Christa Willwacher-Bahr