In der griechischen Mythologie ist es der Held Prometheus, der den Menschen das Feuer bringt, das der Göttervater Zeus ihnen eigentlich vorenthalten wollte. Diese Tat symbolisiert den Beginn der menschlichen Zivilisation: Indem Prometheus die Glut aus dem Bereich der Himmlischen entwendet und heimlich zur Erde bringt, macht er ein zivilisiertes menschliches Leben, zu dem der Gebrauch des Feuers zum Kochen und Backen, als Wärme- und Lichtquelle, aber auch zur Verarbeitung von Metallen unbedingt dazugehört, überhaupt erst möglich.
Auch viele andere alte Kulturen, etwa in Indien und Polynesien, kennen die mythische Gestalt eines ursprünglichen „Feuerbringers“. Gut möglich, dass sich in diesen Geschichten eine Erinnerung an die „Entdeckung“ des Feuers durch die Menschen der Steinzeit erhalten hat.
Dass er das Feuer nutzt, gehört seitdem zu dem Wesentlichen, worin sich der Mensch von den Tieren unterscheidet. Immer aber ist das Feuer – mehr und offensichtlicher als die anderen Elemente Erde, Wasser und Luft – zugleich nützlich und gefährlich, faszinierend und bedrohlich. Auch darum vermutet die Mythologie der Völker den Ursprung des Feuers immer im Bereich des Göttlichen, und seine Nutzbarmachung durch den Menschen als einen ursprünglich frevelhaften Akt gegen die Götter.
Die Bibel jedoch kennt nun zwar keine Prometheus-Gestalt. Aber es ist doch interessant, dass auch die biblische Schöpfungsgeschichte von einem menschlichen Urzustand noch ohne den Gebrauch des Feuers erzählt.
Denn in der Schöpfungserzählung sind am Anfang schon Erde und Wasser da, aus der Erde wird der Mensch von Gott geformt, das Wasser macht die Erde zur Trägerin des Lebens, und indem dann auch noch die Luft in Form des göttlichen Atems hinzu kommt, wird auch der aus Erde geformte Mensch zum Leben befähigt. Für all das aber wird kein Feuer benötigt, und so ist das Feuer das einzige der vier Elemente, das in der Schöpfungserzählung gar nicht vorkommt (und darum ist es auch nur konsequent, dass der erste Mensch nach dem Willen Gottes als Veganer lebt, der sich im Paradies Salat und Früchte einfach pflückt und dann als Rohkost verzehrt – er hat ja eben noch kein Feuer zur Verfügung, 1. Mose 1,29 und 2,16).
Feuer lodert in der Geschichte der Bibel bezeichnenderweise dann auch das erste Mal erst da auf, als die ersten Vom Feuer im Alten und Neuen TestamentThema29Menschen gegen Gottes Autorität re-bellieren und dann aus dem Paradies vertrieben werden. Da ist es dann Gott, der zur Sicherung des Gartens Eden vor dessen Eingang nicht nur die Cherubim als Wächter postiert, sondern auch „die Flamme des zuckenden Schwerts“ ent-zündet (1. Mose 3,24 in der sehr wortgetreuen Übersetzung der Zürcher Bibel).
An der genauen Bedeutung dieser Stelle wurde von den Auslegern schon immer herumgerätselt – ist hier vielleicht der Blitz gemeint? Wie auch immer, eines ist klar: zum ersten Mal brennt’s – hier, wo die Menschen ihren ursprünglichen Zustand hinter sich lassen, wo sie als schuldig Gewordene hineingehen in die Welt der Arbeit und der Mühe, die Welt des Opfers und des Kampfes, eben in die Zivilisation – und die ist auch im Alten Testament nicht denkbar ohne den Gebrauch des Feuers. (Wie bezeichnend ist es dann auch, dass erst nach dem Sündenfall, 1. Mose 3,19 zum ersten Mal gebackenes Brot als Grundnahrungsmittel des Menschen erwähnt wird.)
So kommt das Feuer in die Menschenwelt, wird von da an dann auch in der Bibel immer wieder wie selbstverständlich genutzt, um sich daran zu wärmen, um Brot zu backen, zu kochen und zu braten (von der Urmutter Israels, Sara, die den drei Besuchern ihres Mannes Abraham frisches Brot backt und vorsetzt, 1. Mose 18,6, bis hin zu dem auferstandenen Jesus, der seinen Jüngern nach Ostern einmal als Grillexperte mit Fisch und geröstetem Brot erscheint, Johannes 21,9).
Besonders schön beschreibt der sogenannte zweite Jesaja diesen ganz alltäglichen und vielfältigen Gebrauch des Feuers: „Der Schmied macht ein Messer in der Glut und formt es mit Hammerschlägen. Der Zimmermann hatte Fichten gepflanzt und der Regen ließ sie wachsen. Das gibt den Leuten Brennholz; davon nimmt er und wärmt sich; auf dem Feuer brät er Fleisch und isst den Braten und sättigt sich, wärmt sich auch und spricht: Ah! Ich bin warm geworden, ich spüre das Feuer.“ (Jesaja 44,12f.) Wie töricht ist es dann – so der Prophet –, aus demselben Holz, das man als Feuermaterial nutzt, ein Gottesbild zu schnitzen und zu verehren! Wo aber Feuer ist, da ist immer auch Gefahr, und schon in der Tora, dem durch Mose gegebenen Gottesgesetz, ist in 2. Mose 22,5 eine erste Schadensersatzregelung überliefert für den Fall einer durch unvorsichigen Gebrauch von Feuer ausgelösten Katastrophe.
Zerstörerischer als durch Unachtsamkeit ausgelöste Brände erlebten die Menschen des Alten Testaments aber wohl jene Feuersbrünste, die von Menschen absichtlich im Rahmen von 30Kriegshandlungen entfacht wurden. Da werden – auch von den kämpfenden Is-raeliten selber – Häuser (Richter 12,1) und ganze Städte durch Feuer vernichtet (4. Mose 31,9f.) – und wenn der Held Simson im Streit mit den Philistern durch von Füchsen transportierte Fackeln deren ge-samte Ernte vernichtet, kann davon so-gar mit einem fabulierend-humorvollen Unterton erzählt werden (Richter 15,4f.). Das ändert freilich nichts daran, dass die Israeliten auch am eigenen Leibe die zer-störerische Macht des Feuers erfahren, in ganz besonderer Weise dann bei der Zer-störung Jerusalems durch die Babylonier, als ganz Jerusalem mitsamt dem Tempel im Feuer untergeht (2. Könige 25,8f.).Dabei hatte doch genau dort, im Tempel, Tag und Nacht das Feuer auf dem Altar gebrannt (3. Mose 6,5+6)… Denn nach den Regeln der Tora gehörten zum Got-tesdienst im Tempel ganz wesentlich die Opfer, und die verschiedenartigen in der Tora vorgesehenen Opfer hatten alle dies gemeinsam, dass die Opfergaben (meist Tiere) ganz oder zumindest in Teilen im Heiligtum verbrannt werden mussten.Damit berührt das Feuer auch im Al-ten Testament ganz selbstverständlich die Sphäre des Göttlichen. Zwar wur-de das Feuer nicht selber – wie in den Feuertempeln der Perser – als Gott ver-ehrt und natürlich ließ der Glaube an den einen Gott Israels neben ihm auch keinen besonderen „Feuergott“ zu. Dass im alten Orient manche Gläubige für ihre Gotthei-ten sogar ihre Kinder „durchs Feuer ge-hen lassen“ (5. Mose 18,10) gilt vielmehr für die Propheten Israels geradezu als In-begriff der Verkehrtheit der heidnischen Götterverehrung. Und doch kann es in 5. Mose 4,24 lapi-dar heißen: „Der HERR, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer“ – eine metaphori-sche Aussage, die aber so mit Blick auf die Erde oder das Wasser kaum vorstell-bar wäre (und die im Neuen Testament im Hebräerbrief 12,29 übernommen wird). Das Feuer eignet sich dagegen besonders dazu, um die ambivalente Erfahrung der Israeliten mit ihrem Gott zu erfahren: Als Feuersäule hatte er sei-ne Anwesenheit auch in den Nächten gezeigt und war fürsorglich vor seinem Volk vorangeschritten (2. Mose 13,21). Aber im Feuer wird Gott auch als stra-fend, ja als aufbrausend und zornig er-fahrbar – so, wenn in den Geschichten vom Auszug aus Ägypten auch davon berichtet wird, dass plötzlich „Feuer des HERRN“ im Lager ausbricht und um sich frisst, so lange, bis die Israeliten Gott um Verschonung bitten (4. Mose 11,1f.)