Ich habe erst mal eine Kerze angezündet. Von einer angsteinflößenden Untersuchung im Krankenhaus kommend, führt mein erster Weg in die Martin-Luther-Kirche, wo ich erst mal eine Kerze anzünde und ein erleichtertes „Gott sei Dank“ zum Himmel schicke.
Beim Rausgehen fällt mein Blick auf das Gästebuch/Gebetbuch, das direkt neben der Eingangstür liegt. Besucher der Kirche schreiben dort hinein, was sie bewegt. Ich fange an zu lesen und bin gefesselt: was die Leute alles auf dem Herzen haben. Nicht nur ich habe etwas auf dem Herzen, andere auch und sie nutzen die Kirche, die Gebetsecke und das Buch, um es los zu werden.
Sie beten für sich, um Verständnis in der Ehe, um Bewahrung für ihre Liebsten, um Gesundheit. Sie vertrauen dem Buch ihre Traurigkeit über einen verstorbenen Angehörigen an, aber auch ihre Sorge vor den Auswirkungen der Pandemie hier und anderswo in der Welt. Manche überlegen auch, wie sie mit Unrecht und Ungerechtigkeit in der Welt jemals klarkommen sollen und wieso Gott nicht eingreift.
Im November ist Buß- und Bettag. Seit dieser Tag als Feiertag abgeschafft worden ist, ist das Anliegen dieses Tages noch mehr in Vergessenheit geraten. Der Buß- und Bettag ist in der evangelischen Kirche ein Feiertag, der auf Notzeiten zurückgeht. Angesichts großer Not wurde die Bevölkerung zur Umkehr und zum Gebet aufgerufen. Vielleicht, so geht es mir durch den Kopf, täte uns ein Buß-und Bettag gut, nicht ‚aufgedrückt‘, sondern freiwillig, ein „Tag“ der Besinnung, des Gebets, des Aufräumens und der Umkehr im eigenen Leben. Manchmal reicht da auch ein kurzer Besuch in der Kirche, auch davon gibt das Buch neben der Eingangstür Zeugnis.
Christa Willwacher-Bahr