Die Neugestaltung des Umfeldes Martin-Luther-Kirche, vom Kirchenvorstand seit längerem beschlossen, barg in sich das Risiko, auf historische Artefakte zu stoßen. In Gesprächen im Vorfeld mit Denkmalschutz, Stadt und Kreis, Gartenarchitekten und den Bauunternehmern waren die Möglichkeit von Funden und ein weiteres Vorgehen erörtert worden. So wurden am 24. Juli 2017 die sogenannten Abräumarbeiten bei gutem Wetter gestartet… und kamen rasch wieder zum Erliegen.
Tatsächlich waren die Baggerführer der Fa. Landschaftsbau Schröder in geringer Tiefe (erforderliche Arbeitstiefe 60 cm) auf alte Mauerreste gestoßen. Gemäß den Auflagen des Denkmalschutzes – die Kirche und das Umfeld sind eingetragenes Baudenkmal bzw. Bodendenkmal – mussten die Bauarbeiten erst einmal gestoppt und ein archäologisches Grabungsteam beauftragt werden, um diese Fundstelle und mögliche weitere Bereiche zu sichten. Die Kosten für derartige Maßnahmen, die hoheitlich vom Kreis überwacht werden, trägt der Besitzer des Grundstücks.
Dank des Engagements der Kreisarchäologin Dr. Elke Treude konnte innerhalb kürzester Zeit die Fa. Goldschmidt/Dülmen, Archäologie und Denkmalpflege, beauftragt werden. Die Arbeiten konnten bereits am Folgetag beginnen, wobei dem Grabungsteam, geleitet von dem Archäologen Dr. Messerschmidt, freundlicherweise ein versierter Baggerführer von Fa. Schröder zur Seite gestellt wurde, der mit ruhiger Hand einen Kleinbagger zielsicher durch die Baustelle führte.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge (… der Kosten wegen …) sahen dann im Laufe der Woche der Kirchenvorstand und die begeisterten Archäologen auf das, was das Erdreich freigab: Sehr markant verläuft eine 50 – 60 cm breite Mauer in gerader Linie zwischen Schülerstrasse und Meierstrasse längsseits parallel zum Kirchengebäude, mittig durchbrochen von einem ehemaligen Portal. Von diesem Eingangsbereich aus verläuft eine schmalere Mauer auf das Gemeindehaus zu bis zu den Eingangsstufen, ein mit Steinen breit ausgelegter Pfad verläuft parallel zu dieser Mauer. Im hinteren Bereich, Grenzbereich Meierstrasse, befinden sich mehrere schmale Mauern, die kleinere Räumlichkeiten erahnen lassen. Das Alter dieser zu unterschiedlichen Zeiten angelegten Mauern datieren die Archäologen in das 16.und 17. Jahrhundert. Dem ehemaligen von der Borch´schen Adelshof, errichtet zwischen 1551 und 1560, erweitert 1633 und heutiges Gemeindehaus, dürften diese Mauern als Grundstücksabgrenzungen und Einteilung von Wirtschaftsräumen gedient haben. Ein Brunnen, der sich in der Mitte des Kirchplatzes befunden hat, ist, ähnlich wie ein Wasserkanal, jüngeren Datums und eher „nur“ 200 Jahre alt.
Besonders interessant bewerteten die Experten die Mauerreste, die sich im vorderen Bereich des Kirchgartens angrenzend parallel zur Schülerstrasse befinden. Diese sind wahrscheinlich bereits im 15. Jahrhundert existent gewesen und zeigen deutlich den Verlauf der Strasse auf. Hier lassen sich auch Teile von Wohngebäuden vermuten, die vor der Errichtung des Adelshofes erbaut worden sind. Neben diesen Mauerresten, die in ihren Strukturen ein Stück versunkene städtische Geschichte vor den Augen des Betrachters entstehen ließen, fanden die Archäologen diverse kleine Tonscherben, Reste von Gebrauchskeramik mit unterschiedlichen Glasuren aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, und eine mittelalterliche Münze, deren Zuordnung noch aussteht.
In der zweiten Woche konnten die Archäologen mit der Dokumentation der freigelegten Funde beginnen. Nachdem Bagger, Spaten, Kelle und Pinsel ihre Arbeit getan hatten, kamen jetzt Maßband, Kamera und Zeichengerät zum Einsatz. Akribisch und detailliert nahmen die Archäologen alle Fundstellen auf, um sie anschließend zu analysieren und für die Nachwelt zu verschriftlichen. Dieser Bericht wird sowohl der Kreisarchäologie wie auch der Kirchengemeinde zugehen.
Und erfreulicherweise konnten auf Grund der guten und zügigen Zusammenarbeit aller Beteiligten die eigentlichen Bauarbeiten in der dritten Woche wieder aufgenommen werden, die brisanten Fundstellen wurden ordnungsgemäß mit Sand und Schotter wieder bedeckt. Das zügige Vorgehen seitens des Landschaftsbauers lässt hoffen, dass Anfang Oktober der neu gestaltete Kirchplatz eingeweiht werden kann.
Friederike Miketić