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Reformation und die eine Welt – Koreanische Gemeinde Detmold

Pfarrer Lee (2. von rechts) mit Gemeindegliedern beim gemeinsamen Essen nach dem Gottesdienst
Pfarrer Lee (2. von rechts) mit Gemeindegliedern beim gemeinsamen Essen nach dem Gottesdienst

Kennen Sie Pfarrer Lee aus Südkorea? Jeden Freitagabend und jeden Sonntagmittag kommt er aus Bochum nach Detmold gefahren, um hier in unserem Gemeindehaus die kleine lutherische Gemeinde unserer südkoreanischen Mitbürger zu betreuen, mit ihnen zu beten und Gottesdienst abzuhalten.

Die Anzahl der Gemeindeglieder schwankt zwischen 10 und 25 Personen, im Wesentlichen Studierende der Hochschule für Musik, die hier an ihrem Studienort nicht auf ihr geistig-religiöses Leben verzichten wollen.

In einem Gespräch mit Pfarrer Lee erfahre ich von der erstaunlichen Erfolgsgeschichte der christlichen Kirche(n) in Südkorea. Jährlich lassen sich über 100.000 Erwachsene taufen, vor allem in den Städten und in den modernen Schichten der Bevölkerung.

Während im Jahr 1900 12.600 Menschen dem christlichen Glauben angehörten, waren es 1945 schon 300.000, 1985 bereits 7,18 Mio. Im Jahr 2005 waren 8,6 Mio. Einwohner evangelisch und 5,1 Mio. katholisch getaufte Christen. Heute sind rund 30% der Bevölkerung Christen, mehr als die buddhistische Bevölkerung im Land.

Wie ist diese rasante Ausbreitung des Christentums zu erklären?

Ursprünglich war Korea geprägt durch das Wertesystem des Konfuzianismus, das neben dem Buddhismus und Daoismus über viele Jahrhunderte Kultur, Gesellschaft und Alltag geprägt hat. Hieraus hat sich ein hierarchisches Über- und Unterordnungssystem entwickelt, in welchem durch übermäßige Betonung des Rituellen sich ein Konservativismus bis zur Rückständigkeit entwickelte und menschliche Beziehungen insbesondere durch den Ahnenkult zur Entfremdung „verkamen“.

Dies hat die Menschen geprägt. Auch heute noch, so sagt Pfarrer Lee, ist man Fremdem gegenüber zwar nicht feindlich eingestellt, aber man bleibt unter sich.

Das Christentum kam durch Laien ins Land, die in China mit Christen in Kontakt gekommen waren. Sie brachten deren Schriften mit und studierten sie auf der Suche nach der Wahrheit. Als Grund für die beispiellose Ausbreitung der christlichen Lehre wird die christliche Botschaft von der Gleichheit aller Menschen festgemacht, was im Widerspruch zu den konfuzianischen Lehren, insbesondere der Ahnenverehrung stand. Die Botschaft der christlichen Nächstenliebe ließ sich auch nicht durch zeitweilige staatliche Verfolgung unterdrücken, bewirkte sie doch offensichtlich eine Befreiung des individuellen Menschen aus einem erstarrten, kühlen System.

Die Kirchen in Südkorea haben sich auch durch Kritik und Opposition in der Zeit der Militärdiktatur 1961-1987 Anerkennung und großes Vertrauen in der Bevölkerung erworben.

Pfarrer Lee begründet die rasante Verbreitung unseres Glaubens zusätzlich mit der Gnade und dem Segen Gottes in schwierigen Zeiten während und nach der japanischen Kolonialzeit, die für die Koreaner mit bitterer Armut verbunden war. Durch die Hilfe der Amerikaner und der Deutschen, so sagt er, gab es wieder Hoffnung auf ein besseres Leben.

Ein weiterer Grund sei das Gebet, was mich nach Gebetskultur und Gottesdienst fragen lässt.

Jeder Tag beginnt um 05:00 Uhr mit einem Frühmorgengebet. Zusätzlich wird an jedem Freitagabend eine Gebetsversammlung abgehalten. Dabei betet man zuerst gemeinsam das Tongseon-Gebet, eine Gebetsform, bei der alle laut mit voller Stimme gefühlvoll und gestisch sprechen, z.B. die Arme in die Höhe werfen. Diese Gebetsform wird in den Pfingstkirchen praktiziert und hat sich aufgrund deren großen Einflusses in Südkorea auf alle anderen evangelischen Kirchen übertragen. Nach dem Tongseong betet dann jeder frei für sich.

Gottesdienste werden jeden Mittwoch abgehalten, am Vormittag für die nicht Berufstätigen, am Abend für die anderen. Und selbstverständlich gibt es auch den Sonntagsgottesdienst und gleich immer zwei davon: der erste Gottesdienst wird traditionell abgehalten, der zweite in freier Form mit Tanz, Gospel und „lauten“ Gebeten, da kommen gerne eher die Jüngeren.

Ich frage nach dem Verhältnis zu den buddhistischen Gemeinden in Südkorea. „Wir Koreaner sind konservativ,“ sagt Pfarrer Lee, „wir sind nicht feindlich, es gibt Zusammenarbeit in sozialen Projekten und wir respektieren uns, aber wir bleiben jeder für sich“. So sei es üblich, dass Buddhisten an Weihnachten vor ihren Tempeln stehen und den Christen mit Plakaten zur Geburt Jesu gratulieren. Im Gegenzug gratulieren Christen mit entsprechenden Plakaten an Buddhas Geburtstag. Auch beschränke man sich auf nur einen Weihnachtsfeiertag aus Respekt gegenüber den Buddhisten, die ja nur den einen Festtag zur Geburt Buddhas begehen. Rücksichtsvolle Koexistenz.

Das enorme und schnelle Wachstum der christlichen Kirche in Südkorea hat aber auch zu Problemen geführt und lässt zunehmend Kritik aufkommen. So blieb keine Zeit für die sozialethische Entwicklung der Gesellschaft. Zwar bekleiden heute auch Christen höhere Ämter. Auch gibt es von den einzelnen Gemeinden organisierte Hospize und Sozialarbeit im Bereich der Altenpflege, es fehlt aber eine übergreifende Organisation, die z.B. unserer Diakonie entspräche. In der Gesellschaft selbst ist eine christliche Ethik „nicht“ verankert, sagt Pfarrer Lee. „Wir gehen in die Kirche und beten, und dann machen wir so weiter wie immer“, kritisiert er. Dies sei auch der Grund für das verminderte Wachstum der evangelischen Kirche gegenüber den Buddhisten und den Katholiken.

Pfarrer Lee (rechts im Bild) mit Gemeindegliedern der koreanischen Gemeinde im Gemeindehaus (vorne sitzend) Der ehemalige Pfarrer Lee mit seiner Frau, die wie eine Mutter für die Studenten war
Pfarrer Lee (rechts im Bild) mit Gemeindegliedern der koreanischen Gemeinde im Gemeindehaus (vorne sitzend) Der ehemalige Pfarrer Lee mit seiner Frau, die wie eine Mutter für die Studenten war

Die evangelische Kirche Südkoreas versucht, dieses Defizit auszugleichen, indem sie ihre Mitglieder anhält, ihr ethisches Leben nach der Bibel auszurichten, und indem sie die ökumenische Zusammenarbeit zwischen allen Synoden zu verbessern sucht. Auch gehen koreanische evangelische Geistliche wie Pfarrer Lee z.B. nach Deutschland und studieren christliche Sozialethik, um die gesellschaftlichen Probleme in ihrem Land überwinden zu helfen. So sei das Religionsverständnis von Dietrich Bonhoeffer besonders geschätzt in Südkorea.

Neben seinem Studium der christlichen Sozialethik in Bochum betreut Pfarrer Lee freitags und sonntags seine kleine koreanische Gemeinde in Detmold. Wie er das mache, will ich wissen.

„Der Sonntagsgottesdienst ist eine Mischung aus traditionellem und modernem Gottesdienst, wie er in Amerika praktiziert wird,“ sagt er. „Zu Beginn stehen 20 Minuten Tongseong-Beten, nach dem Gottesdienst nehmen wir uns Zeit für freundschaftliche Beziehungen und Essen. Dann wird für eine Stunde in der Bibel gelesen und zum Abschluss noch einmal 20 Minuten in Tongseong gebetet. Außerdem machen wir jeden Tag Q.T. (Quiet Time) mit der koreanischen Whatsapp ‚Kakaotalk’ und der Homepage unserer Gemeinde.“ Spiritualität mit modernen Medien.

Zum Ende bedankt sich Pfarrer Lee bei unserer Gemeinde und den Pfarrern für die warmherzige Unterstützung seiner Gemeinde.

Ich bin beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und der Intensität des gemeindlichen Lebens, der Kritikfähigkeit und dert oleranten Freundlichkeit, die ich im Gespräch mit Pfarrer Lee erleben durfte.

Karin Strate

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