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Reformation in der einen Welt

Reformation und die eine Welt, so heißt das Jahresthema ein Jahr vor dem eigentlichen Reformationsjubiläumsjahr.

Gottesdienst in Durban
Gottesdienst in der Partnergemeinde in Durban, Südafrika

Während dann alle Welt auf das kleine Wittenberg schauen wird, wo vor 500 Jahren der Thesenanschlag Martin Luthers zur Kirchentrennung führte, soll ein Jahr vorher noch mal der Blick in die weite Welt gelenkt werden.

Ich blättere in dem gleichnamigen Heft, das die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland)  pünktlich zu Beginn des (Kirchen) Jahres 2016 herausgebracht hat. Erstaunt lese ich im Vorwort, dass heute über 400 Millionen Menschen weltweit ihre geistig-religiöse Existenz mit dem reformatorischen Geschehen verbinden, das nicht nur von Wittenberg, sondern auch von anderen religiösen Städten und Regionen ausging. Das heißt, an der weltweiten Verbreitung des evangelischen Glaubens sind auch Huldrych Zwingli und Johannes Calvin in der Schweiz, Thomas Müntzer und der linke Flügel der Reformation, John Knox und die Schotten, Menno Simons und die Friedenskirchen und John Wesley und die Methodisten beteiligt.

Weltweit. Meine Gedanken gehen zurück zu einem Besuch in unserer Partnergemeinde in Durban. Es ist Sonntag und wir feiern Gottesdienst in Phoenix. Ich staune nicht schlecht, als zu Beginn des Gottesdienstes eine bunt gewandete Prozession aus Pfarrer und „Messdiener“ in die Kirche schreitet. Vorneweg der Kreuzträger mit dem Vortragekreuz, dahinter der junge Mann mit dem Evangeliar, einer zerschlissenen Bibel,  die wie eine Kostbarkeit hochgehalten wird. Lutherischer als wir, denke ich, um dann im Verlauf des Gottesdienstes bei den durch die Band begleiteten Anbetungsliedern zu denken, „pfingstlicher“ als wir. Was für eine Mischung. Der vorher gravitätisch daherschreitende Pfarrer sitzt jetzt mit E-Gitarre in Albe und Stola in der Band. Die Gottesdienstgemeinde ist bunt gemischt. Auffallend sind die Damen mit den blauen Kostümen und weißen Hauben, die Mitglieder der „womens league“. Sie, so erfahre ich, sind die diakonische Speerspitze der Gemeinde, sie kümmern sich um Arme, Alte und Kranke. Sozial engagierter als wir, frage ich mich kurz. Beim abendlichen Bibelgespräch erlebe ich, was ich theoretisch schon weiß, dass die Bibel hier in Südafrika anders gelesen wird als in Detmold – nicht ganz anders, aber doch mit mehr Akzent auf den ethischen  Fragestellungen.

Während ich weiter in dem EKD-Heft blättere, bleibt mein Blick hängen an zeitgenössischen reformatorischen Gestalten, Amy Carmichael, z.B… Nie gehört, denke ich, und lese interessiert weiter. Amy Carmichael (1867-1951) stammte aus Nordirland und war presbyterianische Christin. Sie ging in die Mission, zunächst nach Japan und dann in den Süden Indiens. Dort kümmerte sie sich besonders um die Verbesserung des Lebens von Mädchen.  Um den Menschen in Indien näher zu kommen und zu zeigen, dass sie deren Kultur respektierte, trug sie selbst traditionelle Kleidung und färbte ihre Haut dunkler. Die Kinder, mit denen sie arbeitete, bekamen niemals christliche Namen, sondern trugen weiterhin ihre indischen Namen. Wie viel Gutes ist im Namen der Religion geschehen, denke ich, und es tut mir gut, das zu lesen, weiß ich doch auch, wie viel Kultur im Namen der Religion zerstört wurde.

 

Zum Schluss bleibe ich an einem mutigen Bericht von Najla Kassab hängen über die Situation der Christen in Syrien. Kirchen dort  liegen in Schutt und Asche und die Gemeinden schrumpfen durch die Auswanderung ihrer Mitglieder. „Es bedarf einer klaren Überzeugung und großer geistlicher Stärke,“ schreibt sie, „um daran festhalten zu können, dass auch eine Minderheit unabhängig von der Zahl Licht (der Welt) und Salz (der Erde) sein kann. Minderheiten sind dann stark, wenn sie sich auf ihre Rolle, die sie haben, konzentrieren und wenn sie diese Rolle gern übernehmen. Eben dies ist immer die Quelle und Stärke unserer Kirche gewesen und damit hatte sie große Wirkung in Staat und Gesellschaft.“ Was für ein Selbstbewusstsein, denke ich, davon könnten wir uns hier in Westeuropa eine Scheibe abschneiden, wenn wir selbstmitleidig auf unsere schwindenden Zahlen und unseren schwindenden Einfluss in der Gesellschaft starren.

Weltweit, so lese ich auf den letzten Seiten des EKD Heftes, verzeichnet der Protestantismus Wachstum, außer in Europa, seinem ursprünglichen Mutterboden. Das ist Trost und Ansporn zugleich.

Reformation und die eine Welt, wir haben uns von dem Themenjahr und dem EKD Themenheft in der Gemeindebriefredaktion anregen lassen, die Welt ein bisschen zu „bereisen“ und zu berichten darüber, wie die Reformation nach Korea kam, was Evangelisch-Sein in Durban, Südafrika bedeutet oder in Litauen oder in Rumänien. Die Auswahl der „Reiseziele“ ist willkürlich und ergibt sich allein daraus, dass wir Kontakte in das jeweilige Land haben und daher aus „eigener Anschauung“ berichten können.

In der nächsten Ausgabe starten wir mit Korea und werden dazu die bei uns im Gemeindehaus „heimische“ koreanische Gemeinde mit ihrem Pastor Lee befragen.

Christa Willwacher-Bahr

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